6 Maßnahmen um den Teamteufel zu vertreiben
Wir sind alle enttäuscht, wir haben uns viel vorgenommen, konnten es aber nicht umsetzen…so oder so ähnlich äußerten sich die deutschen Spieler nach den letzten Spielen und dem Ausscheiden aus der Weltmeisterschaft. So oder so ähnlich geht es auch vielen Fans und mir auch, die sich 4 Jahre auf die WM gefreut hatten, darauf zusammen mit dem Team zu kämpfen, zu hoffen, zu jubeln und zu feiern.
Doch was sind die Ursachen für ein solches kollektives Versagen eines Team, welches eigentlich alle Voraussetzungen hatte, gut in dem Turnier abzuschneiden? Es waren dieselben Spieler, die entweder die letzte WM oder den Confed-Cup gewonnen hatten, es war dasselbe Betreuerteam, der Trainer, Manager und die ganze DFB-Maschinerie aus Ärzten, Physiotherapeuten usw.. Die Trainingsbedingungen waren wie immer optimal, es fehlte an nichts, nichts war zu teuer…und trotzdem – es hat nicht funktioniert.
Wir haben es hier also mit einem komplexen Problem zu tun. Wäre das Problem nur kompliziert, hätten alle getroffenen Maßnahmen zum Erfolg führen müssen, so wie in den vergangenen Jahren auch. Bei komplexen Problemen gibt es überraschende Ergebnisse, die sich eben nicht planen lassen.
Im agilen Kontext (und natürlich auch beim Fußball) ist es stets ein Ziel den Status des “hyperproduktiven Teams” zu erreichen, also jenen Status in dem das Team zu mehr fähig ist, als die Summe der Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder vermuten lässt. Solch ein Team hatten wir in der Nationalmannschaft 2014 und auch bei den vergangenen sehr erfolgreichen WM-Teilnahmen (zumindest ab 2006).
Wir sehen in der Nationalmannschaft 2018 deutlich, dass es neben dem gewünschten Status der Hyperproduktivität, auch einen ungewünschten Status der Hemmung gibt, der sich nicht von den einzelnen Mitgliedern im Team beeinflussen lässt. Es gibt also neben dem Teamgeist, der positiv wirkt, auch einen “Teamteufel” der negativ wirkt. Wie kann man also vermeiden, dass der Teamteufel das Team befällt? Oder was kann man tun, um diesen Teufel aus dem Team zu vertreiben?
- Erfolg hält nicht ewig: Hat ein Team den Teamgeist bewiesen, also sehr kreativ gearbeitet, ein großes Ziel erreicht, Projekt(e) mit unerwartet positivem Ergebnis abgeschlossen und alle Beteiligen mehrfach begeistert, dann kann man sich als Scrum-Master zurücklehnen, denn es gilt ja die Regel: Never change a winning team…aber halt: Die Erfahrung zeigt, dass Sättigung einsetzt. Der Teamteufel setzt sich unbemerkt im Team fest und plötzlich wird alles, was bisher richtig war, falsch. Die Maßnahme kann daher nur sein: ändere das Team zum richtigen Zeitpunkt – und damit ist das gesamte Scrum-Team gemeint, also nicht nur das Entwicklungsteam. Tausche ggf. Scrum-Master, Product Owner oder Teammitglieder aus, wenn die ersten Anzeichen der Sättigung auftauchen. Wenn dem Scrum-Master neue Formen der Retrospektive ausgehen, er also beginnt zu wiederholen. Wenn das Team nicht mehr nach dem Warum fragt, sondern nur noch Userstories abarbeitet. Wenn der Product Owner nicht mehr begeistert die Vision erklärt, sondern Userstories zusammenhangslos ins Backlog schreibt, dann ist der Zeitpunkt nahe etwas zu ändern. Oder das Projekt zu beenden.
- Fehlerkultur vermeiden: “Die Lust zu Gewinnen muss größer sein, als die Angst zu verlieren”. Dieses Zitat von Jürgen Klopp trifft sehr genau auf das zu, was wir im Fernsehen gesehen haben. In den Spielen der deutschen Mannschaft war in den aller meisten Fällen die Angst zu verlieren größer als die Lust zu gewinnen. Die Angst vor Fehlern hemmt, daher ist es auch in scrum-Projekten essentiell, eine “Fehler”-kultur im Team zu vermeiden. Nicht die Suche nach dem Schuldigen bringt uns voran, sondern die Suche nach der Problemlösung.
- Einflüsse von außen vermeiden: Wir haben es alle miterlebt: In den Sozialen Medien wurde das Verhalten öffentlich: Medienpräsenz allgemein. Hasskommentare und “Özil-Bashing” wo man hinsieht. Weitere Einflüsse gab es über den DFB, die intensive Vermarktung des Teams, den omnipräsenten Teammanager usw.. Dass das nichts Gutes bewirkt, wurde sicht- und fast fühlbar. Für ein Scrum-Team gilt das genauso. Wenn erfolgshungrige Manager schon vorher die noch gar nicht existierenden Lösungen verkaufen (und damit das Team unter Druck setzen), wenn sofort “eskaliert” wird, sobald mal ein kleiner Konflikt im Team auftaucht und unzählige Manager aus allen Hierarchieebenen sich einmischen und Probleme wieder hochkochen, die eigentlich schon seit Wochen gelöst waren, muss der Scrum-Master alles dafür tun, um das Team zu schützen und abzuschotten. Natürlich ist hier nicht nur der Scrum-Master allein gefordert: Das Team sollte selbst dafür sorgen, dass Probleme nicht immer mit allen möglichen Leuten ausserhalb diskutiert werden, der Product Owner muss auch seinen Teil dazu beitragen, die Stakeholder ruhig zu halten.
- Die Aufgabe muss herausfordern (ein Level, welches man schon mal gespielt hat, macht keinen Spaß mehr). Das würde auch den Fluch des Weltmeisters erklären: Fußball-Weltmeister ist bei der weltweit beliebtesten Sportart das höchste, was ein Spieler erreichen kann. Nur wenige Menschen (also alle 4 Jahre 23, wenn man mal den ganzen Kader nimmt), können dieses Ziel überhaupt schaffen. Insofern ist es nur klar, dass alle die, die noch keine Weltmeister waren, einen viel höheren inneren Antrieb haben über sich hinauszuwachsen, als die die bereits einmal dieses Höchste der Gefühle erleben durften. In der Motivationstheorie gibt es den Korridor zwischen den unterfordernden Aufgaben (“langweilig”) und den überfordernden Aufgaben (“schaff ich sowieso nicht”), in dem man sich bewegen muss um motiviert zu sein. Product Owner und Scrum Master müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Aufgaben entsprechend herausfordernd bleiben, sonst leidet die Motivation.
- Gemeinsamer Umgang miteinander: Irgendwas war faul im DFB-Team – der Versuch, die “alten Recken von 2014” (Weltmeister) mit den “neuen Wilden von 2017” (Confed-Cup Sieger) zu verschmelzen, ist misslungen. Auch wenn alle immer betont haben, dass es keine Grüppchenbildung gab, waren schon in den Vorbereitungsspielen die “Jungen” seltsam gehemmt, wenn sie zeigen sollten, was sie können. Auch ein Team, welches bereits lange erfolgreich arbeitet, ist davor nicht geschützt: Daher gilt es, keine Cliquenbildung zuzulassen (“altes Team gegen neues Team”) und unterschwellige Macht- und Positionskämpfe zu sehen. Getreu den Stufen “Forming, Storming, Norming, Performing” der Teambildung sind diese Prozesse notwendig und laufen immer ab. Ein Unterdrücken der notwendigen Auseinandersetzungen führt dann eher dazu, dass der Teamteufel sich im Team einnistet und die Teamhemmung eintritt.
- Ideen gemeinsam entwickeln (jeden mit einbeziehen statt Vorgabe vom Trainerstab oder bei agilen Teams vom Product Owner/ Scrum Master ): “Der Trainer hatte keinen Matchplan” – auch diesen Kommentar habe ich immer wieder gelesen. Aber muss der Trainer immer einen Matchplan vorgeben? In der agilen Welt sollte es üblich sein, sich der “Schwarmintelligenz” des Teams zu bedienen. Das funktioniert beim Planungspoker im allgemeinen auch ganz gut. Natürlich sollte man sich mit so vielen Informationen wie möglich eindecken, um im Team eine breite Grundlage für Bewertungen von Ideen zu haben. Das Taktikteam des DFB macht hierbei sicherlich einen guten Job in dem es genau die Spielweise der Gegner analysiert. Die Auswertung dieser Informationen und vor allem die Frage, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, ist allerdings etwas, was man durchaus dem Team überlassen kann. Merke: Es gibt keine einfachen Aufgaben, es sei denn, man überlässt es dem Team.
Das sind natürlich nur subjektive Ideen aus meiner Sicht, wie siehst Du das?