Ich habe in den letzten Folgen über die Sprintplanung, das Daily Standup und das Reviewmeeting gesprochen und daher kommt nun das abschließende Event im Sprint…Du ahnst es… – die Retrospektive. Auch wenn es das letzte Meeting im Sprint ist, hier passiert der wesentliche Teil dessen, was ein Team besser macht. Da das auch eine der wesentlichen Metaziele des Scrum-Masters ist, (Also – “Der Scrum-Master soll das Team besser machen”) muss da ja was dran sein.
Schauen wir erst mal wieder, was der Scrum-Guide dazu sagt:
Ich zitiere: “Die Retrospektive bietet dem Scrum-Team die Gelegenheit sich selbst zu überprüfen und einen Verbesserungsplan für den kommenden Sprint zu erstellen”…(das klingt etwas steif, finde ich)
Ferner steht da (ich zitiere nochmal): “die Retrospektive wird durchgeführt, um
- zu überprüfen wie der vergangene Sprint in Bezug auf die beteiligten Personen, Beziehungen, Prozesse und Werkzeuge verlief
- die wichtigsten gut gelaufenen Elemente und mögliche Verbesserungen zu identifizieren und in eine Reihenfolge zu bringen und
- um einen Plan für die Umsetzung von Verbesserungen der Arbeitsweise des Scrum-Teams zu erstellen”
Also – die Retro ist also für das Team und dient nicht dazu nicht fertiggestellte Userstories auseinanderzunehmen…sowas kommt im Refinement oder in der Planung dran.
Themen sind daher eher: Anpassung der Definition of Done, Besprechung von Arbeitsweise und Kommunikation im Team, Vorschläge und Ideen dazu finden und die Selbstorganisation des Teams zu verbessern…
Am Ende der Retro ist es das Ziel mindestens einen Punkt zur Verbesserung der Arbeit zu herauszufinden und auch gleich im nächsten Sprint umzusetzen…also in das Sprintbacklog mit aufzunehmen.
Wenn Du Scrum-Master bist, schenke der Retrospektive besondere Beachtung – ich betrachte das immer als “mein” Meeting – hier kannst Du deine Kreativität ausleben und wirklichen Mehrwert schaffen. Daher auch hier wieder ein paar Tipps zu Dingen, die in einer Retro schlecht laufen können, so dass Du drauf achten kannst:
Unschön Nr. 1: keine Retro: Es gibt keine Retro, weil das Team glaubt, es gibt nichts zu verbessern…. Mal ehrlich – wenn es nichts zu verbessern gibt, ist man tot. Es ist wie das Nirvana, welches man als Normalsterblicher nicht erreichen kann – aber immer anpeilen sollte. Lass Dich als Scrum-Master auf nichts ein – die Retro gehört dazu und ist sehr wichtig!
Unschön Nr. 2: Retro als Puffer. Wenn der Forecast bzw. die Planung nicht gehalten werden kann, wird auf die Retro verzichtet, um noch die letzten Stories abschließen zu können. Das ist genau das Gegenteil von dem, was eigentlich nötig wäre. Wenn das Team seinen Forecast nicht schafft, gibt es etwas zu verbessern und genau dafür ist die Retro da.
Unschön Nr. 3: Gehetzte Retro: Das Team ist wie immer in Eile und 10 min für die Retro müssen ja wohl genug sein. Der Scrum-Guide geht für einen einmonatigen Sprint von einer Zeit von 3h aus – also bei 2 Wochen wären dann immer noch 90 min. Das gesamte Team braucht eine gewisse Zeit um sich auf das Thema einstellen zu können. Wenn die Zeit nicht da ist, wird der Mehrwert des Meetings gering sein und Du musst aufpassen, dass das Meeting nicht ganz aus dem Blickwinkel des Team verschwindet.
Unschön Nr. 4: Mangelndes Vertrauen: In der Retro ist es besonders wichtig, dass allen klar ist: Was hier im Raum mit dem Team besprochen wird, bleibt im Raum (also die Las Vegas Regel aus Hangover…) Daher ist es auch unklug Stakeholder dabei zu haben. Der Product-Owner ist allerdings ein Teil des Scrum-Teams und daher gehört er auch dazu. Aber – wenn hier gepetzt wird – dann ist die Vertrauensbasis zerstört und das ist nur schwer wieder heilbar.
Unschön Nr. 5: Das ewige Klagelied: – und ewig grüßt das Murmeltier: Das Team gefällt sich in der Rolle des Opfers und beschwert sich am Ende eines jeden Sprints über Gott und die Welt bzw. die Gesamtsituation im Unternehmen und wer alles daran Schuld ist, dass man hier nicht anständig arbeiten kann. Einmal kann man das vieleicht machen – aber letztlich macht es doch nur Sinn über die Dinge nachzudenken, die auch im Einflußbereich des Teams liegen. Getreu dem bekannten Spruch oder Gebet der Antialkoholiker: “Gib mir die Kraft zu Ändern, was ich ändern kann, gib mir die Gelassenheit hinzunehmen, was ich nicht ändern kann und die Weisheit beides voneinander zu unterscheiden.”
Unschön Nr. 6: Die Ergebnisse der Retro sind keine Ziele: Es gibt mehrere Varianten Ziele zu beschreiben – eins der bekanntesten ist SMART (also Spezifisch, Messbar, Archievable also Erreichbar, Relevant und Time-Boxed) – egal für welche Zieldefinition man sich entscheidet – Ziele sollten es schon sein, damit wir auch sehen können, ob wir – als Team – diese auch erreichen.
Unschön Nr. 7: Keine Zuständigen: Wenn sich jeder auf den anderen verlässst, wird es wahrscheinlich so kommen, dass das Action-Item aus der letzten Retro gar nicht angegangen wird. Gut ist es (und so steht es auch im Scrum-Guide) die Ergebnisse aus der Retro direkt mit ins Sprint-Backlog des nächsten Sprints zu schreiben und auch genauso wie eine Userstory zu behandeln. Dann ist es am Taskboard sichtbar und fällt auf, dass sich vielleicht gerade keiner drum kümmmert.
Unschön Nr.- 8: Was war da noch? Wir sollten uns auch daran erinnern, was wir in den letzten Retros als Action Items beschlossen haben. Also – wie schon gesagt – bitte mit am Taskboard lassen und ggf. auch in die Impediment-Liste aufnehmen…
Unschön Nr. 9: der unerwünschte Product Owner: Es hält sich oft noch die Meinung, dass der Product Owner nicht zum Team gehört und damit nichts in der Retro verloren hat. Das stimmt nicht, denn das Scrum-Team besteht aus allen 3 Rollen. Gemeinsam gewinnt man und gemeinsam verliert man – das schließt den Product Owner mit ein.
Unschön Nr. 10: Zeitverschwendung…Wenn das Team die Retro für Zeitverschwendung hält, kannst Du mal drüber nachdenken, die Retro interessanter zu machen (ich halte das für ein sehr konstruktives Feedback vom Team und das geht direkt an dich als Scrum Master).
Wenn das Team keinen Mehrwert in der Retro sieht, dann sorge als Scrum Master dafür, dass die Retro interessant wird und Mehrwert entsteht. Dazu sag ich gleich noch was…
Unschön Nr. 11: Murmeltier, die zweite: Wenn die Retro immer gleich abläuft, so nach dem Motto: Jetzt nehmt mal die Post-Its und schreibt auf, was euch nicht gefallen hat und was wir besser machen können, wird auch irgendwann nichts mehr bei raus kommen. Wahrscheinlich wird dann auch sowieso immer das Gleiche aufgeschrieben. Auch hier gilt: Wenn Du Scrum Master bist, betrachte die Retro als Dein wichtigstes Meeting in dem Du dafür sorgst, dass es immer wieder anders und Neu für das Team ist.
Unschön Nr. 12: Retro am Anfang des Sprints: Bitte verstehe die Retro als Schlusspunkt, da das auch mental Auswirkungen hat. Es geht darum, kurz innezuhalten und das vergangene zu reflektieren. Daraus wollen wir dann für die Zukunft lernen.
Unschön Nr. 13: Keine Doku – Auch wenn das wie ein Relikt aus überkommen Wasserfall-Zeiten erscheint – Wir sollten wissen, was wir in den vergangenen Retros besprochen haben. Daher mach bitte eine Kurze Fotodoku oder Tabelle (gerne auch als ppt) – das tut gar nicht weh…ABER: Achte darauf, dass das nur die Ergebnisse dokumentiert werden und schreibe kein vollständiges Besprechungsprotokoll im Sinne von “dann hat Klaus das und das gesagt und Willi hat darauf geantwortet, dass…., denn die Doku darf nicht in fremde Hände geraten und ist nur für das Team bestimmt.
Unschön Nr. 14: Retro als Ort der Schuldzuweisungen. Wir haben ja schon mal im Rahmen der Werte drüber gesprochen: Die Suche nach dem Schuldigen bringt uns nicht weiter, wir wollen schließlich Lösungen…Deshalb offenbart eine reine Schuldzuweisungsveranstaltung eine Schwäche des Scrum Masters und auch des Teams in der Kommunikation. Wenn Du Scrum Master bist, achte darauf, dass Du sowas im Keim erstickst – sonst könnte es Dich überrollen und es wird später schwer sich davon zu befreien.
Noch unschöner: Mobbing – wenn das Ganze aus dem Ruder läuft und die Leute sich unter der Gürtellinie tummeln, hole dir externe Unterstützung, da das als Teil des Teams wahrscheinlich kaum noch zu kitten ist.
Unschön Nr. 15: Stakeholder in der Retro: Die Stakeholder sind überall gerne gesehen aber die Retro ist nur für das Scrum-Team – keine Ausnahme…genauso verhält es sich übrigens mit Linien-Vorgesetzten. Das verwandelt die Retro in einen unsicheren Platz – in dem Umfeld traut sich keiner die Wahrheit zu sagen und der Sinn des Ganzen geht verloren.
Unschön Nr. 16: Die Team-Mitglieder sind zwar da, machen aber nicht mit. Versuche hier Vertrauen zu schaffen. Oft passiert das mit Teams aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Achte als Scrum Master auch darauf, dass Du die kulturellen Unterschiede in den Teams verstehst und darauf eingehst. Sei aber auch nicht zu ungeduldig oder überfahrend, gerade mit asiatischen oder indischen Kollegen kann das nach hinten losgehen.
Unschön Nr. 17: Veröffentlichte Meeting-Protokolle: Der Verlauf der Retro ist streng vertraulich und nur für das Scrum-Team relevant. Natürlich kann und sollte man die daraus abgeleiteten Action Items nicht auf dem Taskboard verstecken, aber was im Raum abging, geht niemanden etwas an… so lehne freundlich aber bestimmt ab, wenn ein Linienvorgesetzter um die Übergabe von Protokollen bittet….
So – jetzt habe ich wieder länger darüber gesprochen, was man alles nicht machen sollte. Auch hier gilt wieder: Bitte nicht dogmatisch sein. Die Dinge, die ich eben angesprochen habe, sollen Dir – egal welche Rolle Du im Projekt hast – helfen zu erkennen, dass etwas nicht ganz optimal laufen könnte. Natürlich kann es immer mal vorkommen, dass eine Retro nicht optimal läuft. Das ist auch nicht schlimm. Ich möchte nur, dass Du erkennst, wo vielleicht Probleme hochkommen könnten…
…daher komme ich nun zu den Dingen, auf die ich achte, wenn ich eine Retro machen will…
- Das Wichtigste aus meiner Erfahrung: Denk Dir immer wieder was Neues aus. Ich vermeide Wiederholungen, denn sonst wird es schnell langweilig. Mit kleinen Spielen zur Auflockerung oder immer wieder unterschiedlichen Abfragen für ein Brainstorming bzw. zum Sammeln von Ideen macht es allen Teilnehmern – und letztlich auch mir – mehr Spaß. Und wenn es Spaß macht, habe ich meist auch ein besseres Gefühl und Ergebnis.
2. Ich versuche auf die Situation im Team einzugehen und nehme konkrete Dinge zum Anlass darüber zu sprechen, was man besser machen kann
die Lösung liegt immer im Team und nicht bei mir (als Scrum Master). Bitte nichts vorgeben
3 Ich habe mir auch eine Sammlung an von Retrospektiven angelegt, die ich gemacht habe. Du findest im Internet eine Menge Vorschläge (z.B. bei tastycupcakes.org) oder retromat.org
Für mich ist die Retrospektive ist das wichtigste Meeting um das Team besser zu machen. Nicht mehr und nicht weniger…
So dabei will ich es jetzt mal belassen – ich Danke dir fürs zuhören und freue ich über eine positive Bewertung oder vielleicht kannst Du ja auch einer Kollegin oder einem Kollegen den Podcast einfach empfehlen…
Tschüß
Dein agilophiler Frank